Ich freue mich ganz besonders, dass ich Ivan Blatter wieder zu einem Interview begrüßen durfte. Gemeinsam plaudern wir über gutes Zeitmanagement, Veränderung, Erfolgsstrategien, Tools, Apps und Programme, sowie sein neuestes Projekt EffizienzPlus.
Es ist ein wirklich spannendes Interview geworden. Wenn du dein Zeitmanagement ernsthaft verbessern willst, dann rate ich dir dringend da reinzuhören.
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Links zum Interview:
- Rescue Time
- Evernote
- Ulysses
- Scrivener
- Textexpander / PhraseExpress
- Hazel / File Juggler
- EffizenzPlus
- So findest du dein Zeitmanagementsystem
Das Interview: Was ist überhaupt ein gutes Zeitmanagement?
Thomas: Ja, hallo Ivan, es freut mich, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast.
Ivan: Hallo Thomas, sehr gerne.
Thomas: Kannst du dich bitte meinen Hörerinnen und Hörern kurz mit deinen eigenen Worten vorstellen? Was du so tust, was du so machst, was dein Spezialgebiet ist?
Ivan: Jawohl, auch gerne! Ich bin Experte für neues Zeitmanagement. Ich helfe Leuten, mit einem gewissen Freiraum ihre Ziele zu finden und sie schneller zu erreichen, und zwar – jetzt kommt ein wichtiger Nebensatz – ohne sich auszulaugen! So, dass ihre Zufriedenheit steigt und der Stress sinkt. Das ist sozusagen meine Elevator Pitch, aber unter uns geht es mir eigentlich nur um Eines: Ich will meinen Kunden helfen, ihr Potenzial, das ihn ihnen steckt, auch tatsächlich umzusetzen. Dazu habe ich eine Reihe von Online-Produkten, und ich mache ganz klassisch Seminare, Coachings und Vorträge.
Thomas: Hört sich sehr spannend an. Wir werden das gleich alles noch weiter vertiefen. Bei unseren Themen – bei meinem Thema Selbstmanagement und deinem Thema Zeitmanagement – geht es ja immer so ein wenig um Veränderung. Und jetzt meine Frage dahingehend, wie ist denn Veränderung überhaupt möglich deiner Meinung nach?
Ivan: Ich glaube, zuerst muss ich gleich etwas festhalten: Veränderung ist möglich, das vergessen viele Menschen, sie fühlen sich auch ein Stück weit ausgeliefert oder glauben auch nicht an sich selbst. Aber ich glaube, Veränderung ist möglich. Wir alle haben schon tausend Dinge verändert, kleine Dinge im Alltag, vielleicht auch große Dinge, vielleicht haben wir mal ein paar Kilo abgenommen oder aufgehört zu rauchen oder was weiß ich. Veränderung ist in jedem Fall möglich, und ich glaube, in jedem Bereich des Selbst- und Zeitmanagements. Dessen muss man sich mal bewusst sein. Und da kann ich wirklich nur alle dazu auffordern, den Weg der Veränderung auch tatsächlich zu gehen – es ist möglich. Wichtig dabei ist, einen starken Grund zu haben. Das kennen wir ja alle, wenn der Arzt immer sagt, „Sie müssen abnehmen“, dann nimmt man nicht ab. Man nimmt erst ab, wenn man weiß, warum man abnehmen muss, wenn man einen starken Grund hat, eine gute Antwort auf die Frage „warum“, dann gelingt es plötzlich. Und das ist sicher mal die Basis, man muss einen guten, starken Grund haben, sonst geht man kein Commitment ein, und dann wird es schwierig. Und dann, würde ich sagen, sind es eigentlich drei Schritte. Der erste Schritt wäre: Nenne Ross und Reiter, wenn man so will! Also zuerst geht es mal darum, das Problem überhaupt genau kennenzulernen, zu analysieren. Was steckt dahinter? Was ist mein Problem im Zeitmanagement? Was heißt Zeitmanagement überhaupt? Solche Dinge – um jetzt mal beim Beispiel Zeitmanagement zu bleiben, die wären der erste Schritt. Dann das Zweite wäre, entwirf einen Schlachtplan, einen Aktionsplan. Was will ich ganz genau tun? Welches sind meine Aktionen? Was will ich konkret verändern, wie will ich da vorgehen? Das muss man sich zuerst einmal überlegen und eben so eine Art Plan entwickeln. Und dann als Drittes geht es eigentlich nur noch darum, diesen Plan auszuführen und – sehr wichtig – regelmäßig zurückzuschauen und zu evaluieren. Was funktioniert? Was funktioniert nicht? Was muss ich verändern, was muss ich verbessern? Wo muss ich noch dazulernen, wo muss ich mir Hilfe holen? All diese Dinge! Das ist so der Dreischritt, und damit ist, glaube ich, jede Veränderung möglich. Also zuerst mal das Problem genau kennenlernen, auch, indem man zum Beispiel ein Buch liest oder ein Blog. Zweitens einen Plan erstellen, Aktionen planen, und drittens den Plan ausführen und regelmäßig zurückschauen.
Thomas: Okay, das ist eine sehr, sehr spannende Antwort gewesen, die ich nur vollkommen unterstreichen kann. Kommen wir zum Thema Zeitmanagement zurück, Ivan. Was ist überhaupt ein gutes Zeitmanagement? Was verstehst du unter einem guten Zeitmanagement?
Ivan: Ich habe es zu Beginn bei der Vorstellung schon gesagt, aber mir ist diese Botschaft so wichtig, dass ich sie gerne noch einmal wiederhole: In einem guten Zeitmanagement geht es darum, das Potenzial abzurufen, das in mir steckt. In einem guten Zeitmanagement geht es nicht mal unbedingt darum, Zeit zu sparen – das ist sowieso ein Unsinn. Wenn ich heute eine Stunde Zeit spare, habe ich morgen nicht 25 Stunden Zeit – schön wär’s! Es geht auch nicht darum, immer mehr und mehr und mehr in den Tag zu pressen oder mehr Aufgaben zu erledigen, darum geht es explizit nicht. Das ist, wie wenn du eine Zitrone nimmst und immer fester und stärker presst. Irgendwann ist die Zitrone leer, sie ist ausgepresst, sie ist ausgelaugt, sie ist hinüber, sie ist kaputt. Und wir Menschen müssen aufpassen, dass wir nicht versuchen, zu viel in unseren Tag hineinzupressen. Bei uns sind dann die Folgen Stress, Hektik, Burnout, Erschöpfung, all diese Dinge. Bei einem guten Zeitmanagement geht es darum, das umzusetzen, was in mir steckt. Dann bin ich abends vielleicht müde, aber das ist auch völlig okay. Wenn man den ganzen Tag gearbeitet hat, und man ist abends müde, dann ist das weder unanständig noch unmoralisch. Wichtig ist, dass man abends nicht ausgelaugt und erschöpft ist. Und wichtig ist, dass man abends weiß, „ich habe etwas erreicht, ich habe etwas geschaffen, ich habe etwas bewirkt“. Das ist ein gutes Zeitmanagement.
Thomas: Genau das sehe ich auch so. Abends müde ins Bett zu gehen, das ist ja sowieso etwas Schönes, denn dann schläft man schnell, und dann passt das auch!
Ivan: Genau!
Thomas: Du hast vorhin, als wir über Veränderungen gesprochen haben, schon ein bisschen über das „Warum“ dahinter gesprochen. Jetzt würde mich interessieren, das „Warum“ hinter dem Zeitmanagement, weshalb ist es wichtig, sich um sein Zeitmanagement zu kümmern? Was könnte da das „Warum“ für meine Hörerinnen und Hörer sein?
Ivan: Das Interessante ist, eigentlich kümmert sich ja niemand gerne um sein Zeitmanagement. Das ist wie beim Zähne putzen, man muss es halt tun, damit man ein strahlendes Lächeln hat und eine nicht so hohe Zahnarztrechnung. Aber Hand aufs Herz – wer putzt sich schon gerne die Zähne? Und genauso ist es beim Zeitmanagement. Man darf auch nicht vergessen, wir werden bezahlt, damit wir unsere Arbeit erledigen und nicht, damit wir unsere Arbeit organisieren und verwalten. Deshalb ist Zeitmanagement ein Hilfsmittel, wenn man so will ein notwendiges Übel, um das man sich halt kümmern muss. Du fragst nach dem „Weshalb“ – ganz, ganz weit hinten, hinter dem Zeitmanagement steckt so als Basis eigentlich nur Eines: die eigene Zufriedenheit. Wenn ich mich gut organisiere, wenn ich abends das Gefühl habe, ich habe die Dinge im Griff, ich bin nicht komplett fremdbestimmt, ich habe das gemacht, was ich kann und wozu ich fähig bin, dann bin ich zufrieden. Dann bin ich weniger gestresst, ich bin vielleicht auch erfüllter oder glücklicher. Und darum geht es. Das Zeitmanagement ist nur ein Baustein dazu. Es gibt noch viele andere Bausteine, die mir helfen, dass ich zufrieden bin. Aber ich denke, das Zeitmanagement ist ein wichtiger und unterm Strich auch ein nicht so komplizierter Baustein, der mir eben hilft, zufriedener zu werden oder zu sein.
Thomas: Okay, sehr cool, ja. Jetzt gibt es ja neben dem „Warum“ auch noch die wichtige Frage nach der richtigen Strategie. Was sind Erfolgsstrategien, wenn man sein Zeitmanagement verbessern will? Hast du dazu Tipps für uns?
Ivan: Das Ganze ist natürlich sehr von den Umständen abhängig. Ist jemand sehr fremdgesteuert, dann hat er andere Probleme als beispielsweise du und ich. Wir haben eine ziemlich große Freiheit, bei uns ist das Thema vielleicht eher, wie setze ich mir einen Rahmen, damit ich mich optimal entfalten kann? Wenn jemand komplett fremdgesteuert ist, dann ist sein Thema, wie komme ich zu mehr Selbstbestimmung? Zu mehr Eigensteuerung, sozusagen. Deshalb ist es schwierig, generelle Erfolgsstrategien zu geben. Aber ich habe trotzdem ein paar, das ist klar! Aber die sind dann schon sehr, sehr grundlegend, wenn du so willst. Wenn jemand sein Zeitmanagement verbessern will, dann geht es zunächst mal darum, alles zu hinterfragen. Klar, es mag sein, dass wir fremdgesteuert sind, klar, es gibt Umstände, denen wir ausgeliefert sind. Aber wir sagen viel zu schnell, „ach, da kann ich nichts dafür, das ist halt so, die Wirtschaft ist schlecht, mein Chef ist… so, wie er ist“.
Thomas: Schön formuliert!
Ivan: Genau! „Meine Kunden haben ständig Ansprüche“, und so weiter und so fort. Und man versteckt sich ein bisschen hinter all diesen Umständen. Das gilt es alles zu hinterfragen, unbedingt. Da muss man mit einem schonungslos offenen Blick hinschauen und fragen, ob es wirklich so ist oder ob man da etwas tun kann. Und dann: Ein gutes Zeitmanagement hat sehr viel mit Einstellungen und Glaubenssätzen zu tun. Auch hier geht es darum, da wirklich mit einem ehrlichen und nüchternen Blick hinzuschauen, Glaubenssätze zu erkennen und allenfalls zu verändern. In jedem Fall lohnt es sich, mal zu schauen, was wirklich ist. Das kann man auch tun, indem man beispielsweise mal ein Zeittagebuch führt. Schreib einfach mal zwei, drei Tage minutengenau auf, was du den ganzen Tag tust. Ich würde jetzt hier zum Beispiel aufschreiben, 09.30 Uhr – bis 10.00 Uhr: Interview mit Thomas. Und dann, 10.00 Uhr bis 10.15 Uhr: Kaffee trinken. Dann 10.15 Uhr bis 10.20: eMails checken – so etwas. Das gibt dir einen guten Überblick, was wirklich ist. Wir haben ja häufig eine Vorstellung, wir reden uns vielleicht ein, dass heute ein produktiver Tag war, aber wenn wir wirklich sehen, was wir getan haben, ist es vielleicht gar nicht so. Ein Zeittagebuch kann da sehr, sehr helfen. Wer das nicht manuell tun will, weil es ihm zu aufwändig ist, für den gibt es auch sehr gute Tools, zum Beispiel das „Rescue Time“. Das ist ein Tool, das im Computer im Hintergrund sitzt und ganz genau schaut, was man den ganzen Tag macht. In der Premiumversion kann man sogar sehen, an welchen Dokumenten man gearbeitet hat. Man sieht zum Beispiel, dass man zehn Minuten an einem Brief gearbeitet hat und dann 25 Minuten an der Buchhaltung. Und das ist eine automatisierte Form des Zeittagebuchs. Das ist sehr empfehlenswert. Der Grundgedanke ist, und da kann ich Peter Drucker zitieren, das ist ein Management-Vordenker, der hat mal gesagt, „what gets measured gets managed“. Also, was man messen kann oder was man misst, damit kann man auch umgehen, das kann man managen. Und ich glaube, da steht sehr viel Wahrheit dahinter, auch gerade im Zeitmanagement. Wir müssen zuerst einmal messen, was eigentlich ist. Aber das gilt bei jeder Veränderung. Ich nehme ein anderes Beispiel: Ich wollte mich mehr bewegen, und ich habe gedacht, „okay, dann läufst du einfach mehr und nimmst nicht so häufig die Straßenbahn“. Das war ganz nett, und das klappte auch. Aber ich habe dann jeden Tag gedacht, „ja, ich glaube, heute habe ich mich genug bewegt“. Und wenn ich dann mal ein bisschen faul war, dann kam dieser Spruch eben etwas früher. Und ich habe mich dann ein bisschen auf mein Gefühl verlassen. Aber erst, als ich immer einen Schrittzähler bei mir trug, habe ich realisiert, wie wenig ich mich eigentlich bewege. Man sagt ja, man sollte 10.000 Schritte pro Tag gehen, und das ist gar nicht so wenig. Seit ich diesen Schrittmesser habe, seit ich messe, wie sehr ich mich bewege, bewege ich mich bewusster und auch öfter. Und darum geht es, das Bewusstsein zu steigern, bewusst zu werden, was eigentlich ist. Und erst dann kann man etwas verbessern, etwas verändern.
Thomas: So ist es, das kann ich nur vollkommen unterstreichen, ich arbeite auch heute noch mit Rescue Time und tracke das. Ich sehe es mir nur einmal in der Woche an, und wenn ich dann denke, dass die Woche eigentlich sehr produktiv war, und mein Rescue Time Score aber um sechs Prozent gefallen ist, dann ist das schon erschreckend! Das ist manchmal schon sehr ernüchternd, und das muss man dann hinterfragen. Aber die Informationen, die man dann da herausbekommt, die sind natürlich auch sehr wertvoll, das ist ganz klar. Ja, jetzt eine etwas privatere Frage, Ivan, wo kämpft denn ein Zeitmanagement-Experte wie du mit seinem eigenen Zeit- beziehungsweise Selbstmanagement? Gibt es auch Gebiete, wo du sagst, okay, da hast du noch Probleme? Oder sagst du, dass du größtenteils sehr gut unterwegs bist und eigentlich nirgendwo Probleme mit dem Zeitmanagement hast?
Ivan: Nein, da kann ich dich trösten, ich kämpfe genauso wie alle anderen auch mit den genau gleichen Problemen. Unsere heutige Arbeitswelt ist ja geprägt durch ständige Unterbrechungen, es ist eine sehr dynamische Arbeitswelt, die wir haben, und so weiter und so fort. Und das ist bei mir natürlich nicht anders als bei dir oder bei denen Hörern. Nur, ich habe vielleicht die Strategien, wie ich damit umgehen kann. Das ist glaube ich der einzige Unterschied. Aber kämpfen tue ich an denselben Orten wie alle anderen auch. Bei mir, wenn du mich fragst, wo ich noch Verbesserungspotenzial habe oder wo vielleicht auch eine gewisse Schwäche ist, das ist bei mir vor allem der äußere Rahmen. Ich habe sehr viel Freiheit, ich kann mir den Tag weitgehend frei einteilen, ich kann eigentlich tun und lassen, was ich will. Das ist die süße Seite der Selbständigkeit. Aber das benötigt einen Rahmen, den ich mir selber setze. Ich muss mir selbst einen Rahmen setzen, und innerhalb dieses Rahmens kann ich mich dann entfalten. Und das heißt für mich auch, dass ich mir selbst auch Sorge geben muss, ich muss mich selbst pflegen, wenn man so will. Ich muss versuchen, mich ständig zu stärken. Und wenn ich das nicht mache, wenn ich beispielsweise zu wenig schlafe, dann habe ich ein echtes Problem. Es gibt Menschen, die können sich zusammenreißen, wenn sie zu wenig schlafen. Ich bewundere das, aber ich kann es nicht. Das ist einfach so ein Beispiel. Oder wenn ich mich schlecht ernähre oder so, nicht Sorge gebe zu mir, dann wirkt sich das enorm auf meine Leistung aus. Und deshalb muss ich immer versuchen, dass ich diesen Rahmen eben sehr gut setze. Das ist so der Ort, wo ich am meisten mit mir kämpfe, wo ich auch am meisten Fokus oder Energie investieren muss, dass das wirklich gut klappt.
Thomas: Spannend, spannend. Ich weiß nicht, ob es dir ähnlich geht, aber ich bekomme immer wieder eMail von Leuten, die von sich selbst behaupten, dass sie totale Chaoten sind. Und sie schaffen es irgendwie nicht, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Ich tue mir da immer sehr schwer, zu antworten, weil ich die Leute nicht total überfordern will mit zu viel Input, den ich ihnen gebe. Wo sollte jemand ansetzen, der sagt, er sei ein totaler Chaot? Was sollte der machen, ohne überfordert zu sein? Wie kann er seine ersten Schritte in ein gutes Selbst- und Zeitmanagement unternehmen, was sind da deine Tipps?
Ivan: Ich stelle häufig fest, nicht nur bei totalen Chaoten, sondern auch bei nicht-Chaoten: Man versucht, sich im Kopf zu organisieren. Und ich glaube, das ist ein großer Fehler. Der Kopf ist eine sehr schlechte externe Festplatte. Wenn wir versuchen, all die Dinge, die wir zu tun haben, dort zu speichern, dann führt das meistens zu Stress und Vergessen. Und das ist sehr, sehr häufig so bei den Leuten, die auf mich zukommen. Ich würde sicher mal dieser Person raten, sich nicht im Kopf zu organisieren. Dann geht es darum, unbedingt eine Übersicht zu schaffen. Jetzt muss man das richtige Mittel finden. Wenn jemand sich als totalen Chaoten bezeichnet, dann ist es vielleicht jemand, der eine sehr kreative Ader hat, vielleicht ein Rechtshirner oder so, also ein Künstlertyp, sage ich mal so, als Idealtypus. Und wenn ich dem sage, dass er eine To-do-Liste schreiben muss, dann schaut er dir ab, dann ist er weg. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Übersicht zu schaffen. Man muss dann eben genau schauen, welches Mittel hilft ihm? Aber der Gedanke, eine Übersicht zu haben, ist in jedem Fall enorm wichtig. Erst dann kann ich mal schauen, wo ich ansetzen muss. Also hier geht es wirklich darum, mal festzuhalten, aus dem Kopf zu bringen, was ich alles zu tun habe, was meine Verpflichtungen sind, meine Rollen, meine Aufgaben und all das. Das ist sicher mal ein ganz grundlegender Schritt. Und dann, was auch ein klassischer Fehler ist, wir nehmen Dinge viel zu häufig in die Hand, bevor wir uns entscheiden, was damit zu geschehen hat. Wir lesen jede eMail fünf-, sechs-, siebenmal, bis wir sie endlich erledigen. Und genauso machen wir das bei jeder neuen Aufgabe. Und das ist ein riesen Zeitfresser. Das wäre auch etwas, was ich so ganz grundlegend finde: Dinge nur einmal in die Hand zu nehmen und sofort zu entscheiden, was damit zu tun ist. Das heißt nicht unbedingt, dass ich es sofort erledige, sondern dass ich es beispielsweise an den richtigen Ort einsortiere. Aber der Grundsatz, Dinge nur einmal in die Hand zu nehmen, der ist auch sehr, sehr wichtig.
Thomas: Da gebe ich dir vollkommen recht, ja, guter Ansatz. Jetzt gibt es auch immer die Frage nach Tools, Programmen oder Apps, die man verwenden kann, um sein Zeitmanagement zu verbessern. Meine Frage dahingehend: Was verwendest du, und welche Programme und Tools kannst du empfehlen, die einen bei einem guten Zeit- und Selbstmanagement unterstützen können?
Ivan: Ich habe eigentlich ein einziges Tool, das im Zentrum steht. Damit organisiere ich alles, das ist so ein Universal-Tool, das sehr, sehr nützlich ist. Wenn das gut funktioniert, dann braucht man eigentlich fast nichts Zusätzliches. Das Schöne ist, dieses Tool hast du auch schon installiert und alle Hörer auch; das Tool ist nämlich Gehirn 1.0! Ob dir dein Zeit- und Selbstmanagement gelingt oder nicht, entscheidet sich zwischen deinen Ohren und nicht in einem Tool oder in einer App. Das ist die Basis, da muss es stimmen, im eigenen Kopf. Wenn das mal stimmt, dann können Tools, Programme und Apps helfen, das Ganze zu optimieren oder vielleicht noch einen Schritt weiter vorwärts zu bringen. Aber wenn du wirklich kein Land in Sicht hast und komplett untergehst, dann helfen dir auch Tools nicht.
Thomas: Das kann ich nur unterstreichen, ja.
Ivan: Genau. Aber wenn du mich trotzdem fragst, welche Tools ich nutze und empfehle, ich persönlich versuche, so einfache Tools wie möglich zu nutzen, je einfacher, desto besser. Weil die Welt ist schon kompliziert genug, da muss ich das Ganze nicht durch ein Zeitmanagement noch komplexer oder komplizierter machen. Das ist so mein Grundsatz. Und ich nutze die üblichen Verdächtigen, wenn man so will, also ich versuche, mich weitgehend mit Bordmitteln zu organisieren. Also mit dem, was mein Computer schon mitbringt. Und dann nutze ich zum Beispiel Evernote für die Notizen, was dich bestimmt sehr freuen wird als Evernote-Experte.
Thomas: Ja!
Ivan: Ich habe zu Evernote eine Hassliebe, aber ich sehe natürlich auch die vielen Vorteile und versuche, mich damit zu arrangieren. Und es geht immer besser. Meine ganzen Texte, Inhalte und all das entstehen in einem Programm, das gibt es nur für den Mac, das nennt sich Ulysses, das ist ein Schreibprogramm. Es gibt für Windows und Mac auch noch den Scrivener. Ulysses ist wie der Scrivener in hübsch. Ulysses bietet nicht ganz so viele Funktionen wie der Scrivener, dafür ist es sehr simpel und viel einfacher aufgebaut, und ich komme damit viel besser zurecht. Und dann gibt es zwei Bereiche, wo ich wirklich das Gefühl habe, dank diesen Tools bin ich echt produktiver und viel schneller. Das eine, das sind Programme für Textbausteine, damit kann ich per Kürzel ganze Sätze, Absätze oder auch komplexere Dinge einfügen, zum Beispiel das Datum von heute oder das Datum von vor drei Tagen, quasi einfach auf Tastendruck. Dann nutze ich für mich den TextExpander, auch das ist ein Mac-Programm. Windows-User können PhraseExpress nutzen. Das ist ein ganz wesentlicher Teil meiner täglichen Arbeit, damit spare ich enorm viel Zeit. Und als letzter Tipps noch, meine Dateien, die bei mir auf der Festplatte landen, die landen immer in einem speziellen Ordner. Nun habe ich ein Programm, das sitzt im Hintergrund und überwacht diesen Ordner. Und dann kann ich jetzt sagen, „okay, wenn eine Datei diese und jene Kriterien erfüllt, dann verschiebe sie in einen anderen Ordner oder dann benenne die nach einem bestimmten Muster um“. Ich kann sie dann automatisch behandeln lassen – großartig! Wenn ich zum Beispiel eine Rechnung erhalte, dann lade ich die in meinen Download-Ordner. Ich benenne sie dann blitzschnell mit dem TextExpander und einem Textbaustein um, und das andere Programm verschiebt dann diese Datei in den richtigen Ordner. Dieses Programm heißt Hazel, auch hier wieder eine Mac-App. Für Windows-User empfehle ich den File Juggler, damit kann ich Dateien halb oder ganz automatisch bei mir einordnen lassen.
Thomas: Das ist cool, das habe ich noch nicht gekannt, das brauche ich unbedingt!
Ivan: Sehr schön, freut mich, dass ich dir einen Tipp geben konnte, den du noch nicht kanntest!
Thomas: Alle Links gibt es dann natürlich wieder in den Show Notes, keine Frage, es ist nicht nötig, sich das jetzt alles mitzuschreiben. Super, danke für die vielen Tipps, und Gehirn 1.0, das hat ohnehin jeder dabei, also das passt dann. Was sind für dich die wichtigsten Komponenten, um am Ende des Tages stolz im Bett liegen zu können und sagen zu können, „wow, heute war ein extrem produktiver Tag“, was muss da passiert sein?
Ivan: Dann war das ein Tag, den ich weitgehend selbst bestimmen konnte. Das heißt nicht, dass das ein Tag sein muss, an dem ich keine Seminare oder Termine hatte oder so, aber wo ich die Fäden in der Hand hatte. Ich muss etwas mit Wirkung geschaffen haben, und – es klingt abgedroschen, aber es stimmt halt einfach schon – ich habe das geleistet, was in mir steckt. Ich kann wirklich sagen, „doch, ich glaube, heute hätte ich nicht mehr leisten können. Ich habe das geleistet, was in mir steckt“. Das sind meistens auch Tage, wo ich bewusst Entscheidungen treffe, wo ich mich nicht treiben lasse, sondern bewusst auch mal innehalte und sage, „okay, Moment einmal, was mache ich jetzt mit diesem und jenem“ und mich so bewusst entscheide. Das ist ganz, ganz entscheidend, wenn du so willst.
Thomas: Das glaube ich dir, ja, sehr gut. Ivan, jetzt kommt eine spannende Frage, du hast ja vor kurzer Zeit ein neues Kursprogramm mit dem Namen „Effizienz plus“ herausgebracht. Kannst du darüber etwas erzählen, worum geht es in dem Programm, und was können die Kursteilnehmer in diesem Programm alles erlernen?
Ivan: Effizienz plus ist ein so genanntes Mitgliedschaftsprogramm, und zwar für Menschen, die einen gewissen Freiraum bei der Arbeit haben. Das heißt, es ist nicht gedacht für Leute, die am Empfang arbeiten oder für Feuerwehrmänner oder so, sondern man muss einen gewissen Freiraum haben. Und diesen Menschen helfe ich, endlich ein funktionierendes Zeitmanagement umzusetzen. Dabei ist Effizienz plus nicht irgend so ein Kurs oder so, bei dem man mit dem Modul 1 beginnt und bei Modul 10 endet, sondern das ist eine Art Dauerbegleitung mit immer wieder neuen Inputs für das eigene Zeitmanagement. Der Vorteil ist, jede Woche gibt es einen neuen Inhalt. Man geht Schritt für Schritt vorwärts, man hat dann auch eine Woche Zeit, das Gelernte umzusetzen, falls es einem überhaupt etwas hilft, das ist ja auch nicht automatisch so. Und ich bin da und helfe eben auch bei dieser Umsetzung. Es gibt Videos, Artikel, Blicke hinter die Kulissen, wo man mir über die Schulter schaut und sieht, wie der Blatter organisiert ist, und so weiter und so fort. Es gibt auch Fragestunden, wo man mir ganz konkrete Fragen stellen kann, wie geht man mit diesem um oder wie geht man mit jenem um? Und das Ganze ist also wie gesagt kein Seminar oder ein Kurs, sondern es ist eine Dauerbegleitung nach dem Abonnement-Prinzip, wenn man so will. Und ich glaube, das ist die perfekte Mischung zwischen Wissen vermitteln und umsetzen. Es ist genau so viel, wie die Teilnehmer eben arbeiten und umsetzen können, aber nicht mehr. Und ich glaube, das ist das Entscheidende. Das Problem heute ist ja nicht mehr das Wissen, wir wissen alle genug, auch im Zeitmanagement. Ich sage das meinen Kunden auch immer ganz ehrlich: Hört zu, ich kann euch wahrscheinlich nichts Neues mehr beibringen, ihr wisst schon genug, aber ich kann euch helfen, das Wissen auch tatsächlich umzusetzen. Und genau darum geht es mir bei Effizienz plus.
Thomas: Sehr, sehr spannende Sache. Ich bin da selbst dabei und auch immer wieder überrascht, denn ich habe nicht erwartet, wieder so viel Neues zu lernen. Es ist wirklich, wirklich spannend, wenn man mal andere Ansichten sieht. Weshalb ist so ein Dauercoaching besser als ein Seminar? Worin würdest du die Vorteile sehen?
Ivan: Ja, stell dir mal die Seminar-Situation vor. Du bist einen Tag oder sogar zwei oder drei Tage irgendwie in einem schönen Hotel, das Essen ist gut, das Seminar ist spannend, und die Leute sind spannend, alles super. Dann gehst du zurück an deinen Arbeitsplatz, und bist völlig überrannt von den Aufgaben. Du hast 389 neue eMails im Posteingang, du musst diese ein, zwei Tage, die du im Seminar warst, noch nacharbeiten. Und gleichzeitig musst du all das Gelernte, das so konzentriert auf dich eingeprasselt ist, auch noch umsetzen. Das ist fast unmöglich! Du bist sofort wieder von der Arbeit absorbiert. Wie willst du da alles umsetzen? Das ist sehr, sehr schwierig, und ja, du bist dann auch auf dich allein gestellt. Der Trainer ist jetzt nicht mehr da, und du musst jetzt einfach mal machen. Sehr schwierig! Bei einem Dauercoaching ist das natürlich anders. Ich bin da, jede Woche gibt es ein neues Häppchen, es gibt Fragestunden, ich begleite die Leute, sie können mir auch zwischendurch per eMail Fragen stellen und ich gehe dann auch darauf ein. Und so ist die Umsetzung viel eher gegeben als in einem Seminar. Und darum geht es, Umsetzung!
Thomas: Das ist vollkommen richtig, genau. Wenn ich wirklich mal auf einem Seminar bin, dann mache ich es meistens so, dass ich noch zwei, drei Tage länger am Seminarort bleibe, wenn es außerhalb von Wien ist und dann versuche, das Erlernte irgendwie einzuplanen in meine Tagesstruktur, wenn ich dann wieder zurück bin. Das vielleicht auch noch als kleiner Tipp. Vielleicht noch eine kurze Frage zu Effizienz plus: Wie unterscheidet sich dein Effizienz plus-Programm von deinem Blog?
Ivan: Ganz einfach, nehmen wir so einen durchschnittlichen Artikel. Heute früh habe ich einen Artikel über eMails veröffentlicht. Der hatte, glaube ich, 300 oder 400 Worte. Das ist nett, das ist toll, der hilft den Leuten wahrscheinlich auch, die selbständig Dinge umsetzen können, die selbständig Dinge hinterfragen können. Bei Effizienz plus, da gibt es auch einen Inhalt zum Thema „Umgang mit eMail“, der ist aber bedeutend länger. Der geht vielmehr in die Tiefe. Häufig sind die Inhalte auch mit Videos unterlegt, damit man auch sieht, was ich da erkläre. Und vor allem hat es immer eine ganz konkrete Handlungsanleitung. Das ist dann meistens mit „jetzt sind Sie dran“ übertitelt, und dann steht da genau, „jetzt tun Sie am besten erstens das, zweitens das, drittens das…“. Also, du siehst – ich weiß, ich wiederhole mich – aber der Fokus ist so sehr auf das Thema „Umsetzung“ gelenkt, es gibt konkrete Tipps mit Umsetzungshilfen. Und das Ganze geht viel mehr in die Tiefe, als dass das in einem Blog möglich ist.
Thomas: Super, kann ich nur unterstreichen, so ist es.
Ivan: Schön, danke!
Thomas: Ja, vielen Dank für diese kurze Vorstellung. Jetzt kommen wir schon zur letzten Frage, und die stelle ich allen meinen Interview-Gästen oder den meisten zumindest: Wo siehst du dich in zehn Jahren, was sind deine Ziele, deine Visionen?
Ivan: Ich glaube, ich war schon mal im Interview bei dir.
Thomas: Ja.
Ivan: Ich weiß nicht mehr, was ich damals gesagt habe (lacht), ich muss das mal überprüfen, ob ich heute dasselbe sage. Zehn Jahre sind eine Weiterentwicklung von da, wo ich heute stehe. Ich stehe heute an dem Ort, wo ich sein wollte. Das gilt übrigens für alle Menschen, wir stehen immer genau dort, wo wir sein wollten, wir haben uns bewusst oder unbewusst dafür entschieden. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, wo ich eben heute stehen will. Und in zehn Jahren, das wird eine Weiterentwicklung von diesem Punkt sein. Das heißt, in zehn Jahren arbeite ich als Liftboy – ich helfe Menschen, nach oben zu kommen. Ich helfe ihnen, das Potenzial zu entfalten. In zehn Jahren bin ich ein Potenzial-Entfalter. Ich kann mir vorstellen, dass ich nicht mehr rein nur etwas über Zeitmanagement, Zeit- und Selbstmanagement mache, ich kann mir vorstellen, dass das ein wenig breiter geht. Was sicher klar ist, dass meine Zeit von meinem Verdienst weitgehend entkoppelt ist. Also das ist ja auch ein Modell, das du anstrebst. Um das in einem Satz zu erklären: Das ist wie ein Autor, der investiert viel Zeit in sein Buch, und wenn das Buch geschrieben ist, dann fließen die Einnahmen, und die fließen, ohne dass er noch zusätzlich Zeit investieren muss. Das ist es jetzt sehr verkürzt. Das wird sicher in zehn Jahren so sein. Und ich werde in zehn Jahren nur noch wenige Einzelcoachings machen. Ich glaube nicht, dass ich in zehn Jahren noch Seminare gebe. Ich merke auch, wie meine Leidenschaft in den Coachings steckt, und ich werde da weniger Einzelcoachings von wirklichen High Performern geben, also von Top Leuten, die einfach noch eins draufsetzen wollen. Es ist in den Coachings so großartig, wenn du jemandem gegenüber sitzt und plötzlich merkst, dass sich etwas verändert hat. Man sieht es in den Augen, jetzt ist irgendetwas passiert, jetzt hat sich etwas verändert. Das ist so was von großartig, und das möchte ich vermehrt fühlen und sehen können.
Thomas: Super, sehr, sehr spannende Sache. Das nächste Interview führen wir spätestens in zehn Jahren!
Ivan: Genau!
Thomas: Weil das ist dann wieder ein sehr spannendes Thema, schauen wir mal. Ivan, ich bedanke mich recht herzlich, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Es war extrem spannend. Ich habe wieder viel gelernt, und ich denke, meine Hörerinnen und Hörer auch. Ja, ich bedanke mich recht herzlich, und liebe Grüße in die Schweiz!
Ivan: Ich danke dir, lieber Thomas, und liebe Grüße zurück nach Wien!
Thomas: Danke, ciao!
Ivan: Ciao.
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Liebe Grüße
Thomas